BALLADE VON ONKEL GUSTAV 
(Jedem Tag ein Lied, 2013 / Bremer Lieder, 2014)

Die ganze Familie am Tisch und draußen ist es kalt, 
das Wildbret liegt allen schwer im Magen und das Radio schallt. 
Oma bringt den Schnaps,  
wir Kinder kriegen Traubensaft, 
mir ist, als ob es gestern wär. 
Tante Annette raucht Kette und keucht, fragt nach Himbeergeist. 
Die beiden Cousinen kichern und grienen,
weil Opa Zoten reißt. 
Gleich ist es soweit, 
ja, gleich ist Onkel Gustavs Zeit, 
auf die wir uns seit Stunden freun. 

Onkel Gustav, erzähl die Geschichte  
von dem Käpt’n der blieb auf dem Boot 
und dann noch die mit dem Krüppel am Boden vorm Roland 
und die vom elften Seegebot 
und die von Gesche Gottfrieds Tod. 
Onkel Gustav, Onkel Gustav, 
warum bist du denn so still? 
Warum bist du denn so still? 

Die Anderen reden von Bausparverträgen,
vom Hausbau und vom Geld. 
Opa bekennt, dass die kleine Französin von drüben ihm gefällt. 
Oma sagt, hört zu, 
lasst Onkel Gustav seine Ruh, 
doch wir woll'n ihn erzählen hör'n! 

Onkel Gustav, erzähl die Geschichte  
von der zaubernden Frau am Sielwall 
und dann noch die mit den ewigen Bleikellerleichen 
und die vom alten Pferdestall     
und die von Klöckners kaltem Stahl. 
Onkel Gustav, Onkel Gustav, 
warum bist du denn so still? 
Warum bist du denn so still? 

Dann kommen Ärzte und reißen sein Hemd auf,
legen ihn lang aufs Parkett. 
Das Licht flackert blau vor der Tür,
Onkel Gustavs Gesicht ist beinah violett. 
Sie legen ihn an den Tropf, 
der Doktor schüttelt nur den Kopf, 
im Radio läuft das Wunschkonzert 
und Onkel Gustav erzählt nichts mehr.